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Vom Urheberrecht zu mutwilligen Falschaussagen

Es ist schon erstaunlich, wie sich dann doch eine größere Menge Menschen plötzlich für etwas so Trockenes wie das Urheberrecht erwärmen kann. Erhitzen eher, denn die Wortschlachten sind schon interessant anzusehen.

Zunächst einmal: Es ist gut, dass das Thema größer wird und den Weg in die breite Masse findet. Wir brauchen wirklich eine sinnvolle Auseinandersetzung, wie wir als Gesellschaft mit der Vergütung von Kreativarbeit umgehen wollen. Wie ich im letzten Blogpost schrieb, sind Leistungsschutzrecht und Uploadfilter allerdings keine Lösung des konkreten Problems, sondern werden nur die Onlineriesen stärken und bei den Künstler*innen selbst wird nichts ankommen, außer Maulsperren.

Es ist nicht verwunderlich, dass Google, Facebook und Co. FÜR Uploadfilter sind – immerhin haben sie bereits welche im Einsatz und können die dann an ALLE Plattformen vermieten (aka: lizensieren) und Geld damit verdienen. Außerdem liegt es im Interesse der großen Plattformen, SÄMTLICHE Inhalte des Internets bei sich zusammenzuführen, um diese dann auszuwerten und die „Erkenntnisse“ an Werbefirmen weiterzuverkaufen.

Heute erschien ein Artikel im Kurier, der – einen Tag vor der Abstimmung im Europaparlament – den österreichischen Medienministers Blümel zitiert und damit noch eben 5 vor 12 einige Falschaussagen konstatiert.

Unter anderem soll Google und Facebook die kostenfreie Nutzung von Artikel-Vorschauen untersagt werden. Und Upload-Filter sollen verhindern, dass geschützte Filme oder Musik überhaupt erst auf YouTube gestellt werden. Dagegen laufen die Online-Giganten und auch andere Interessensvertreter jedoch Sturm.

Hier steht zum Beispiel, dass die Internetriesen wie Google und Co GEGEN die Uploadfilter „Sturm laufen“ würden. Wie gesagt, sie sind tatsächlich aber DAFÜR. #quibono

Die „Zensur“-Kritik an den Upload-Filtern, mit denen geschütztes Material schon beim Hochladen entfernt werden soll, sei eine „bewusste Falschinformation, die gezielt von jenen gesteuert wird, die wir regulieren wollen: die großen Online-Plattformen, die mit der Arbeit anderer Unmengen Geld verdienen“.

(Zitat innerhalb des Artikels: Blümel)

Die große Gefahr bei Uploadfiltern ist, dass die Technologie mittelfristig dazu gebraucht werden wird, dass unliebsame Äußerungen auch auf den Blacklists landen und die freie Meinungsäußerung Geschichte ist. Der ORF hat unlängst versucht, seinen Journalist*innen die freie Meinungsäußerung in sozialen Medien zu verbieten. Mit Uploadfiltern wäre das ein schneller Klick, die Äußerungen einfach technisch abzuschalten; was der Arbeitgeber oder Staat nicht will, geht einfach nie durch und erscheint nirgendwo öffentlich; stattdessen klingelt es dann an der Tür. Die Älteren hier werden sich noch an die DDR und die StaSi erinnern.

Im genannten Artikel heißt es auch, dass die Onlinegiganten das Leistungsschutzrecht, das in Deutschland schon seit Jahren in Kraft ist, zum Platzen gebracht hätten. Tatsächlich wurde es allerdings nie durchgesetzt.

Und darum, sicherzustellen, dass es „in Zukunft überhaupt noch heimische Identität und europäische Inhalte im digitalen Raum gibt“.

(Zitat innerhalb des Artikels: Blümel)

Und dann hat der Autor des Artikels noch ganz nonchalant das Blümel-Zitat „heimische Identität“ eingebaut, womit die Diskussion über die Vergütung von Kreativarbeit und Meinungsfreiheit noch die Dimension bekommt, in der mit der Angst der Menschen gespielt wird, die über die letzten Jahre durch Medienberichte über „Flüchtlingskrise“, „Überfremdung“, „Kriminalisierung“ und was noch alles möglichst marktschreierisch über den schlichten Bericht von Fakten hinausgeht, ausgereizt wurde. Fakten sind zu trocken und zu langweilig, um noch einen Platz in unserer breiten Öffentlichkeit zu bekommen und wir sind mittlerweile auf einem Level angekommen, wie wir es vor fünf Jahren in den USA noch verurteilt haben. Dort hat die Medienberichterstattung rein über die emotionale Ebene eine längere Tradition – und was dabei herauskommt, sieht man an Trump & Co.

Wir sind hier leider keinen Deut mehr besser. Nota bene: Die USA waren es, die 1945 – nach Hitler, Goebbels, … – in Deutschland eine emotionale Berichterstattung verboten haben und den deutschen Medien die Auflage gaben, dass es nur unemotionale, reine Faktenberichte geben darf. Sie werden gewusst haben, warum. Und tatsächlich hat dies dazu beigetragen, dass wir in Deutschland, in Europa, informierte, mündige Bürger hatten – im Gegensatz zu den USA, wo viele Nachrichtenformate den Charakter ein Nachmittagstalkshow haben.

Natürlich ist die Auflage, Klickzahl, Einschaltquote größer, wenn man mit der Angst der Menschen spielt. Aber die europäischen Medien sollten sich ihrer Aufgabe und Verantwortung in der demokratischen Gesellschaft auch wieder bewusst werden.

Der genannte Artikel im Kurier zu den Onlinegiganten, denen wir „Stärke entgegenbringen“ müssen ist mutwillig inhaltlich falsch, spielt mit den Emotionen der Leser*innen, konkret mit dem „Heimatgefühl“ und der Angst vor Andersartigen/Fremden und ist daher die unterste Schublade dessen, was Privatmedien so von sich geben. DAS ist eines freien, europäischen Mediums unwürdig.

Das übrigens auch. Von wegen „Fakten“. Lobbymeinungen wäre das passende Wort.

UPDATE: Es gibt einen sehr guten Artikel von Wikimedia Deutschland, der mit den falschen Darstellungen aufräumt.

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3 Kommentare

  1. 1) Ich würde es nicht „Artikel“ nennen. Unreflektiertes Interview, das bewusst unkommentiert gelassen wurde, trifft es IMHO besser.

    2) Nicht der ‚Autor des Artikels‘ hat ’noch ganz nonchalant “heimische Identität” eingebaut‘. Auch das ist ein Zitat ist von Medienminister Gernot Blümel und nicht „vom Autor des Artikels“ (der mein Bruder ist, ja).

    An dem Text gibt es viel zu kritisieren, da gebe ich Dir recht. Aber ins rechte Eck gehört hier, wenn schon, primär Hr. Blümel gestellt und nicht der Georg, der WEIT davon weg beheimatet ist. Wer ihn kennt, weiß das.

    1. Point taken und ausgebessert, dass es ein Blümel-Zitat ist.

      Ich frag mich eh seit heute früh, ob der Georg seinen Namen freiwillig darunter geschrieben hat. Sowas hätte ich von ihm nicht erwartet.

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