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Mastodon & das Fediverse

Dass Twitter dieser Tage im Chaos versinkt, ist vermutlich an niemandem vorbeigegangen. Seit der Übernahme durch Elon Musk geht es mit dem sogenannten sozialen Netzwerk steil bergab. Nicht nur der Aktienkurs seines anderen Business‘ Tesla rauscht in den Keller, auch „im Haus“ scheint es tief her zu gehen, wenn man einigen ehemaligen Angestellen glauben kann. Willkürliche Massenentlassungen, Abriss der Moderations-Teams, rechte freie Rede und das „N-Wort“* trenden. Grund genug für Viele, sich ein neues Social-Media-Zuhause zu suchen.

Das soziale Netzwerk namens Mastodon hat aktuell einen extremen Zuwachs an Nutzer:innen. Was super schön zu beobachten ist. Ich selbst bin seit 2018 dort, seit 2019 betreiben wir einen eigenen Mastodon-Server unter literatur.social. Ich hab grad nachgeschaut, das erste Mal hab ich hier im Blog am 18. April 2019 davon berichtet. =D

Aber von vorne. Was ist Mastodon?

Mastodon

Mastodon ist ein Netzwerk, das in seinen Funktionen ähnlich ist zu Twitter. Microblogging, allerdings mit etwas längeren Posts. Man kann auch Bilder posten, kurze Audio-Sequenzen und wenn man von Twitter kommt, werden einem die Timeline und das ganze Äußere durchaus bekannt vorkommen.

Allerdings läuft Mastodon nicht auf einer großen zentralen Infrastruktur wie Twitter, Facebook oder Instagram etc., und es steckt auch nicht ein Unternehmen oder ein einzelner Multimilliardär dahinter, sondern es gibt sehr viele einzelne Server, die miteinander verbunden sind. Man kann es sich wie E-Mail vorstellen: Egal, wo ich meinen Account habe, ich kann mit allen anderen reden. Das steckt hinter dem Begriff „verteiltes Netzwerk“.

Was Mastodon anders macht

Was Mastodon anders macht ist, dass es einige technische Eigenheiten hat, die bei Twitter über die Jahre durch gewinnbringende Details ersetzt wurden, wo bei Mastodon aber die Menschen im Vordergrund stehen. Okay, das ist etwas abstrakt. Konkretes Beispiel:

Man kann bei Mastodon nicht kommentiert re-posten, weil die Entwickler:innen sagen, dass die Menschen miteinander und nicht übereinander reden sollen. Und das klappt erstaunlich gut! Ich habe es am Anfang auch vermisst, mittlerweile aber überhaupt nicht mehr.

Auch stehen in der Timeline keine Informationen darüber, wie viele Likes ein Beitrag hat oder wie oft er re-postet wurde (okay, es steht gar nicht, einmal oder mehr als einmal). Alle Beiträge in der Timeline sind also gleichwertig. Man bekommt auch keine Info, was Freunde liken oder ob jemand etwas, das man re-postet hat, mag, außer die Person kommentiert es dann. Und das macht die ganze Atmosphäre auf Mastodon mit einem Schlag viel entspannter. Glaubt man gar nicht, dass so ein paar Kleinigkeiten soviel ausmachen, ist aber so. Das hat unlängst jemand, der seinen Mastodon-Account seit April 2022 hat, in einem Artikel schön zusammengefasst.

Aber die Reichweite!

Etwas, das bei Mastodon deutlich anders ist, ist dass es keine algorithmische Steuerung der Timeline gibt. Es wird alles chronologisch angezeigt und nicht durch Filter oder Verstärker gejagt. Vielleicht denkt Ihr gerade: 

„Aber ich habe doch 5.000 Follower:innen auf Twitter / Instagram / Facebook …! Ich muss doch so viele Leute erreichen, damit ein paar davon mein Buch kaufen!“

Ja, kann sein, dass Ihr eine große Anzahl von Folgenden dort habt. Konservativ würde ich schätzen, dank Algorithmen erreicht Ihr davon ca. 10 bis 15 %, den restlichen 85 % werden Eure Inhalte gar nicht angezeigt, weil für die ein Algorithmus entschieden hat, was anderes wäre grad spannender.

Ihr erreicht auf Twitter und Co also vermutlich ca. 500 Eurer 5.000 Follower:innen und die Interaktion ist bei den meisten doch eher mäßig. Stellt Euch hier auf eine größere Änderung in Eurem Leben ein. Denn die Interaktion auf Mastodon ist um ein Vielfaches höher.

Echter Austausch

Wenn Ihr auf Mastodon eine Community von 500 Follower:innen aufgebaut habt, dann erreicht Ihr auch 500 Follower:innen, da keine Inhalte rausgefiltert oder durch Empörungs-Algorithmen überstimmt werden. Wenn von denen 50 Euren Post re-posten, dann erreicht das auch wieder alle von deren Follower:innen. Und außerdem sind alle öffentlichen Posts auf Mastodon auch wirklich öffentlich und Menschen können Euch sogar per RSS-Feed folgen (so wie bei Blogs damals, die Älteren erinnern sich vielleicht) und die erreicht Ihr damit auch noch.

Und: Die Community auf Mastodon ist völlig anders. Es wird viel mehr Wert auf echten Austausch und Diskussion gelegt. Die Interaktionsraten sind ungleich höher und mit 10% der Anzahl Eurer Follower:innen auf zB Twitter seid Ihr auf Mastodon vermutlich schon gut beschäftigt. Ja, beschäftigt. Einfach nur Inhalt abladen und nicht präsent sein kommt auf Mastodon tatsächlich nicht gut an.

Nicht die Seite zumachen! Das ABER! kommt jetzt.

Support für Kreative ist an der Tagesordnung

Die Community auf Mastodon und im ganzen Fediverse ist gewöhnt und willens, Kreative zu unterstützen, wo es nur geht. Wenn ich ein neues Buch habe, ist – wortwörtlich – die erste Frage: „Wo soll ich es kaufen, dass bei Dir am meisten ankommt?“ Oder auch grad bei den steigenden Nutzer:innen-Zalhen erreichten uns mehrere Fragen von Menschen, wo sie uns Geld für die Hostingkosten und neue Festplatten für den Server einwerfen dürfen. Wenn also irgendwo eine Community lohnt, dann im Fediverse.

Was ist das jetzt schon wieder?

Das Fediverse

Das Fediverse, kurz für „federated universe“, also föderiertes Universum, ist ein Netz von Netzwerken. Mastodon ist eines davon. Es gibt neben Mastodon noch eine Alternative zu Instagram namens Pixelfed, eine Alternative zu Soundcloud namens Funkwhale, eine Alternative zu YouTube namens PeerTube, eine Alternative zu Facebook Events namens Mobilizon und noch viel mehr.

Das Schöne ist, dass man mit einem Account auf beispielsweise Mastodon auch Accounts auf all diesen anderen Plattformen folgen kann und dann die Posts von dort in die eigene Mastodon-Timeline gespielt bekommt. Man kommt also mit einem einzigen Account viel weiter als auf den großen Zentralplattformen. Einen Account auf den anderen Plattformen braucht man nur, wenn man dort auch selbst Inhalte posten möchte.

literatur.social

Auch wenn das grad nach Viel klingt, schaut es Euch trotzdem gerne an. Es ist durch die großartige Community doch so anders, so freundlich und mit so einer tollen Willkommenskultur, dass ich es einfach wärmstens empfehlen kann.

Ich feue mich, von Euch zu lesen. Mich findet Ihr übrigens als @viennawriter@literatur.social im Fediverse. Quatscht mich gerne einfach an, auf Mastodon bin ich tatsächlich jeden Tag aktiv.


PS: Falls Euch das alles noch zu unheimlich ist, könnt Ihr Euch auch anhören, Falls Euch das alles noch zu unheimlich ist, könnt Ihr Euch auch anhören, was Nikolaus Forgo von der Uni Wien, Roland Giersig von der Digital Society und ich diese Woche am 7. November im Video-Cast „ars boni“ der Uni Wien über Mastodon und das Fediverse gesprochen haben.

PPS: Oder Ihr schaut Euch an, wie Julia Schmeer und ich im April 2022 der Monja Luz Mastodon und das Fediverse erklären.


Unser Mastodon-Server literatur.social ist Teil unseres freien Open-Source-Angebots für Kreative, genau wie der Peertube-Server, den Ihr unter stream.litera.tools findet. Schaut Euch gern auch die anderen Lösungen an, die wir für Euch betreiben. Der Zugang ist gratis, wer mag darf unerem Server gern ein Eis ausgeben. Oder ihm etwas in Schweinchen tun für mehr Arbeitsspeicher.

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