Das andere 1930 – 2. Ausschnitt

Auch diese Woche wieder ein roher Szenenausschnitt aus dem neuen Buchprojekt. Viel Spaß!

Mit seinem Spiegelbild in dem gerade zwei Handteller großen, abgeschlagenen und fleckigen Spiegel war Gustav mehr als zufrieden. Besonders mochte er den Teil an sich, wo der muskulöse Nacken in die noch muskulöseren Schultern und Arme überging. Als Arbeiter hatte man vielleicht nicht den besten Lohn – ganz sicher sogar nicht – aber zumindest den besten Körper. Solange man vorsichtig war und keine Körperteile verlor.

Gustav drehte das Seifenstück zwischen den Händen bis diese voller Schaum waren und wusch sich an der kleinen Waschschüssel in der Ecke seines winzigen Zimmers. Der Waschlappen, der über den Rang hing und mit dem er den Schaum sorgfältig wieder entfernte, franste an allen Kanten aus. Er trocknete sich mit einem fadenscheinigen Handtuch ab und griff zum Rasierpinsel. 

Er strich mit dem Messer die kurzen Bartstoppeln ab. Glatt rasiert zu sein gehörte dazu. Schließlich nahm er seine Hose, die über dem Fußende seines Bettes hin und dazu ein frisch gewaschenes Hemd. Auf sein Äußeres gab Gustav Acht. Daher besaß er sogar drei Hemden. Es schnürte die schweren Stiefel und fand sich ein weiteres Mal vor dem winzigen Spiegel ein. Mit Kamm und Pomade teilte er sein Haar ordentlich und kämmte es in Form. Dann nahm er den Mantel vom Haken an der Tür und putzte ihn ordentlich ab. Er klopfte den Staub vom Saum. Als er den Mantel überstriff, spürte er die Vorfreude darauf, sich gleich mit seinen Freunden zu treffen. Sie waren so wie er und gaben ihm das Gefühl, dazuzugehören. Sie waren sogar besser als seine Familie. Wobei von seiner Familie nur noch seine Mutter übrig war. Aber seine Freunde waren sogar besser als sie. Endlich machte er sich auf den Weg schloss die Tür seines Zimmers hinter sich ab und stieg die enge Treppe hinunter. Er hielt seinen Mantel hinten zusammen, damit dieser sich nicht am Geländer verhakte. Die steile Treppe mündete in einen schmalen, dunklen Gang von dem weitere winzige Wohnungen abgingen. Durch eine solide Holztür betrat er den Innenhof des Hauses.

Dieser Post war ein Patreon-Post.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert