Kuenstlersozialversicherung in Oesterreich

Gestern Abend war ich recht spontan doch bei der internationalen Podiumsdiskussion im Wiener Literaturhaus. Thema: Eine Bilanz von 6 Jahren Künstlerversicherungsfonds – „Bilanz eines verfehlten Instruments und Best-Practice Anregungen für einen Neuanfang“.

Die Künstlersozialkasse in Deutschland war mir ja nun bekannt und daß es „so etwas ähnliches“ in Österreich auch gibt, war mir ebenfalls nicht neu. Wohl aber einiges Andere, das am gestrigen Abend dann zutage kam. Dazu muß ich sagen, daß ich auch nach guten anderthalb Jahren in Österreich das soziale System noch nicht ganz durchblickt habe. Aber vielleicht ist das auch die generelle Strategie, die dahinter steht… ?

Das aktuelle Geschehen, das letztlich den Auslöser für das Gespräch gestern gab, ist der Regierungswechsel. (Die gleiche Debatte wurde bereits Ende März 2006 in einem Pressegespräch des Kulturrates Österreich debattiert, allerdings offenbar ohne Erfolg.) Ãœber die vergangenen zwei Regierungsperioden ist in Sachen Kunst und Kultur quasi nichts passiert. Schon gar keine weitere Forschung, wie die soziale Situation in Österreich ansässiger Künstler nun tatsächlich aussieht. Die jüngsten Daten, die aufzutreiben waren, sind von 1998, wie Daniela Koweindl vom Kulturrat Österreich und Moderatorin des Gespräches betonte. Daß es seit 2001 überhaupt einen Künstlersozialversicherungsfonds in Österrich gibt, erscheint als große Innovation. Nur leistet er keine soziale Absicherung, sondern lediglich einen Pensionszuschuß; in der Praxis bedeutet dies, daß die wenigen Auserwählten, die in den Genuß dieser Zuwendungen kommen, sich privat pensionsversichern müssen, dann aber nur die Hälfte der Beiträge zu bezahlen haben. Die andere Hälfte übernimmt der Fonds; die Gelder dafür stammen aus Einnahmen von Kabelrundfunk und TV-Receivern. Der eigentliche Skandal besteht nun darin, daß der Fonds seit etwa anderthalb Jahren Rückforderungen an Künstler stellt, die entweder unter der Mindestertragsgrenze von 3.998 Euro jährlich blieben, oder die Höchstgrenze von 19.621,67 Euro überschritten hatten. Wobei Alton explizit erwähnte, daß „unter der Mindestertragsgrenze“ nicht gleichbedeutend mit „schlecht“ heißt. Im Gegenteil! Gerade Bezieher von Stipendien seien hier gestraft, denn das Stipendium gilt nicht als „Einkommen aus künstlerischer Arbeit“. Wer also als Stipendiat nicht noch die besagten knappen 4.000 Euro aus eigener künstlerischer Arbeit dazuverdient hat, muß ebenfalls zurückzahlen! Ãœber einen Zeitraum von fünf Jahren kamen hier also beträchtliche Forderungssummen von 1.500 bis mehrere Tausend Euro zusammen, die gerade die Erstgenannten nicht zu zahlen imstande sind. Erfreulicherweise sieht dies auch die amtierende Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur – Fr. Dr. Claudia Schmied – genauso, die Forderungen wurden gestoppt. Aber: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben… Das weiß auch Gerhard Ruiss (Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren in Österreich), der sich lebhaft und in Fürsprache für die „Ärmsten der Armen“ an der Diskussion beteiligte.

Grundlage der gestrigen Podiumsdiskussion war eine vergleichende Ausarbeitung der österr. Kulturwissenschaftlerin Juliane Alton der verschiedenen Künstlersozialabsicherungsmodelle in Österreich, Schweden, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. (Im Ãœbrigen eine Forschungsarbeit, die ebenfalls im letzten Jahr bereits zur Diskussion stand.) Auf diem Vergleich nun aufbauend Altons Forderungskatalog, der streckenweise utopisch, andererseits auch sehr zurückhaltend formuliert ist, wie Anmerkungen aus dem Publikum kritisierten. „Selbst wenn alle 11 Punkte erfüllt würden, wäre immernoch nichts erreicht.“

Sabine Schlüter (Geschäftsführerin der Künstlersozialkasse Deutschland) referierte ausführlich über die Lage in Deutschland. Positiv hervorzuheben sind zum Einen die Sonderregelungen für Berufseinsteiger: 5 Jahre lang hat ein Kunstschaffender Zeit, sich am Markt zu etablieren ohne die Mindestertragsgrenze von 3.900 Euro erreichen zu müssen. Eine praxisnahe Regelung, wie ich finde. Der andere positive Punkt ist der relativ weite und in einem objektiven Kriterienkatalog festgehaltene Kunstbegriff, der der Aufnahme in die Künstlersozialversicherung zugrundeliegt: „Künstler ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt.
Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt (§ 2 KSVG).“ Rasch vefolgte die allgemeine Diskussion nun genau diese zwei Punkte – jene zwei, die den Künstlern offenbar mehr noch am Herzen lagen als die jahrelange Debatte über die Rückzahlungsforderungen, die der eigentliche Diskussionspunkt hätten sein sollen.

Othmar Stoss (Geschäftsführer des Künstlersozialversicherungsfonds Österreich) beharrte auf dem derzeiten Aufnahme-Entscheidungsmodell, in welchem Kurien über die Aufnahme der einzelnen Künstler entscheiden, und geriet damit mit Ruiss in lauter werdenden Konflikt. Die Entscheidungen der Kurien seien völlig ohne Vorgaben. Nach Gutdünken, sozusagen. „Na, wos der mocht, des gfällt ma net, den nehmen ma net auf,“ um es einmal böswillig zu formulieren. Dafür fanden sich auch aus dem Publikum einige unerfreuliche Beispiele. Stoss läßt den Kurien völlige Entscheidungsfreiheit, will damit anscheinend auch nichts zu tun haben, wie es immer wieder herauszuhören war. Wobei ich gerade in diesem Aufnahmeverfahren einen Hauptgrund dafür sehe, daß gerade einmal grobe 6.000 Personen aufgenommen wurden. Zum Vergleich: Die deutsche Künstlersozialkasse hat rund 160.000 Mitglieder, die größte Gruppe davon sind Publizisten. Schreiberlinge wie Du und ich… Und das bei Finanzierung über Mitgliedsbeiträge und voller Sozialabsicherung inkl. Krankenkasse, Unfall- und Rentenversicherung. Alles Gebiete, die auch in Österreich zur Erweiterung der Künstlersozialabsicherung zur Debatte stehen – und wünschenswert sind! Dann allerdings nicht mir einem derart willkürlichen Aufnahmeverfahren, wie ich mir den Einwand nicht verkneifen konnte. Im Moment geht es „nur“ um einen Pensionszuschuß. Bei voller sozialer Absicherung geht es dann im Ernstfall um soziale Existenzen und genau das sollten sich die Künstlerinnen und Künstler in den Kurien vor Augen halten, bevor sie persönliche Vorlieben oder Ablehnung ins Spiel bringen!!!

Hans Läubli (Geschäftsführer VTS Schweiz) berichtete, daß es am Kulturföderungsgesetz der Schweiz überhaupt nichts zu beklagen gäbe. Primär deswegen, weil es einfach keines gibt. Und weil es keines gibt, ist die Förderung von Kunst und Kultur „eigentlich illegal“. Kranken- und Unfallversicherungen sind in der Schweiz generell und für alle auf freiwilliger Basis, Pensionsversicherungen dagegen sind Pflicht. Und zwar auch für alle. Und dazu noch das „zweite Standbein der Pensionskasse“, das im Endeffekt ein Zwangssparen für alle Angestellten bedeutet; für Künstler sei dieses freiwillig. Daß es ein Kulturförderungsgesetz geben soll, darüber wird eifrig debattiert. Seit sieben Jahren…

Eine praxisnahe Schilderung der tatsächlichen sozialen Verhältnisse österreichischer Künstler bot Erich Knoth (österr. Schauspieler). Er nannte vor allem die „Patchworkarbeit“ von Künstlern. Wer könne schon allein vom Schauspielern oder Malen oder auch Bücherschreiben leben? In der Realität üben die meisten Künstler mehrere Aufgaben aus. Neben z.B. Malen laufen noch Malwerkstätten, VHS-Kurse, Auftragsarbeiten für Designfirmen, etc.pp. Genau an dieser Realität vorbei geht die österreichische Gesetzgebung, daß vom Künstlersozialversicherungsfonds jeweils nur EINE der Aufgaben des Künstlers für die Förderung angerechnet wird. Nur Malen. Oder nur die VHS-Kurse. Daß auch dies geändert gehört, da waren sich alle einig. Knoth ging weiter darauf ein, daß es als Künstler nahezu nicht möglich sei, eine feste Anstellung zu haben. „Wir Künstler werden immer mehr in die Selbständigkeit gedrängt, wo keine soziale Absicherung für uns da ist!“

Nunja, ich hoffe, daß es in Kürze auch jenseits der Festanstellung eine soziale Absicherung für Künstler geben wird. Denn wenn ich mit dem Doktorat fertig bin, bleibt mir nichts, als mich mit meiner Patchworkarbeit selbständig zu machen… ^^

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