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BrainRead – Lesen wie die Schweden

Mein NaNoWriMo hat tatsächlich eine Lücke – vier (!) Tage Fortbildung hintereinander. Am Wochenende zwei Tage NLP-Basic Seminar mit einigen sehr interessanten Selbsterkenntnissen, gefolgt von zwei Tagen BrainRead. Und das hatte es in sich!

Ich hatte das Vergnügen, das Zwei-Tage-Seminar beim BrainRead-Autor Göran Askeljung besuchen zu dürfen. (Für alle Schwedisch-Analphabeten wie mich: der Vorname spricht sich „Jöran“.) Abgesehen davon, dass es äußerst kurzweilig war, war es auch durchaus anstrengend; das aber positiv! Schließlich werden gerade sehr alte Gewohnheiten abtrainiert. Wie man Lesen gelernt hat, nämlich. Nix mehr mit Wort-für-Wort-Rumdruckserei mit vielen Rücksprüngen (Regressionen genannt) und einer freundlichen inneren Stimme, die einem nebenbei alles nochmal vorliest, was man grad schon gesehen hat. Das bremst uns nämlich auf ca. 200 wpm (words per minute / Wörter pro Minute) ein, mit denen wir dann etwa 5,5 Stunden unseres Arbeitstages dann mit „Lesen“ verplempern. Nein, das muss man schon sein lassen, wenn man es den skandinavischen Pisa-Gewinnern nachmachen will.

Skandinavische Schüler haben uns eines voraus: Originalfilme mit Untertiteln. Offenbar sind Schwedisch, Finnisch und Co. nicht so DIE Zielsprachen, wenn es darum geht, Serien und Filme zu synchronisieren. Aber was im ersten Moment wie ein ziemlicher Nachteil erscheint, hat einen entscheidenden Vorteil: Skandinavier lesen einfach anders: in „Chunks“, also Wortgruppen. Diese praktischen kleinen Blöcke, die unter dem Fernsehbild eingeblendet werden, sind ihr Schlüssel zum Erfolg. Sie lesen einfach immer so. In Blöcken. Kein Zurück, keine Zeit für eine innere Stimme. Und die gilt es für alle Synchronisationsverwöhnten erst einmal, zu überwinden!

Dass es irgendetwas mit den Untertiteln im Fernsehen auf sich hat, haben auch Langzeitstudien in Indien gezeigt. Dort gibt es bereits seit 15 Jahren gleichsprachige (!) Untertitel im Fernsehen. Also jede Sendung, die dort läuft, wird in derselben Sprache schriftlich unterlegt. Abgesehen vom praktischen Nutzen für alle Gehörlosen hat es sich nun herausgestellt, dass deutlich mehr indische Kinder bereits vor dem Schulstart lesen können. Generell dürfte die Analphabetenrate ziemlich gesunken sein. Fand ich schon spannend. Und erstaunlich, dass da die deutschsprachigen Länder noch nicht drauf gekommen sind, denn die Menschen mit Leseschwierigkeiten sollten ja eigentlich eh dieselben sein, die – nicht zuletzt deswegen ja – den Fernseher nutzen. Und für alle anderen wäre es eine Nebenbei-Fortbildung im schnelleren Lesen.

Also, Lesen mit „Stützrädern“ war vorgestern. Gestern war Seminarstart, und da hieß es dann:

  • Regressionen bewusst unterdrücken
  • in Wortgruppen lesen
  • schneller lesen, als die innere Stimme noch mitkommt
  • Und trotzdem ich dann gestern Abend ganz dringend erst einmal eine Pause brauchte, muss ich wirklich sagen: Es hat sich gelohnt! Von schlappen 164 wpm im ersten Lesetest gestern früh kurz nach dem ersten Kaffee, auf grandiose 704 wpm heute Nachmittag im freien Lesen war schon ein echter Durchbruch! Freies Lesen war dann Nils Holgerson entspannt nach der Kaffeepause schmökern und sich dabei unbeobachtet fühlen, aber auch der „echte Lesetest“ mit einem Sachtext am Schluss brachte immerhin noch 525 wpm. Alter Schwede! Ich bin total überrascht, wie schnell man die „Stützräder“ wirklich ablegen kann. Jetzt „nur noch“ jeden Tag zehn Minuten investieren, um das „neue Lesen“ auch brav zu üben, dass es sich einschleift und eventuell noch etwas mehr rauszuholen ist. 1.000 wpm sind schon drin. Und physisch machbar sind sogar 2.000, aber übertreiben muss man ja nun wirklich nicht. 😉

    Das Überraschende ist vor allem, dass nicht etwa die Merkquote des Gelesenen in die Knie geht, wenn man schneller liest, wie man meinen könnte. Ganz im Gegenteil! Ich habe es selber gemerkt: ich lese schneller und merke mir viel mehr vom Text. Offenbar weil mein Gehirn beim Schnell-Lesen einfach weniger Zeit zum Abschweifen zu anderen Themen hat und sich so viel intensiver mit dem Gelesenen beschäftigt. Sobald ich meine innere Stimme wieder höre oder merke, dass ich abschweife, lese ich wieder schneller und schon kann ich die an den Lesetest anschließenden Fragen zum Text viel besser beantworten. Erstaunlich!

    Besonders interessiert mich ja auch die BrainRead-App. Für Android gibt es bereits die englischsprachige Betaversion im Google PlayStore, die iOS-Version sollte innerhalb der nächsten Tage verfügbar sein, eingereicht ist sie jedenfalls bereits. Und die deutsche Variante folgt in den nächsten Wochen. Anschließend an den Kurs durfte ich die iOS-Version auf Görans iPad bewundern. Es ist quasi der komplette Kurs drin. Augenübungen, Lesetests und Balkenübungen (Die fiese Übung, die wir immer gleich nach jeder Pause machen mussten, wo man beim Lesen dann von einem Balken „verfolgt“ wird, der wie PacMan dann die Zeilen frisst!). Sogar ein Fixierungstest, der anhand der Frontkamera aufzeichnet, wie viele Fixierungen und auch Regressionen man beim Lesen so macht! Also, ob man mit den Augen an jedem Wort hängenbleibt und wie oft man dabei dann noch einmal zurückspringt, oder immer mehrere Wörter (also eine Wortgruppe) liest und dann zur nächsten weitergeht. Eine so umfangreiche Schnell-Lese-App hab ich bislang nicht gesehen. Bislang hatte ich nur ausgiebigere Erfahrungen mit der „Schneller Lesen“-App gemacht und die fand ich zum Schluss schon sehr fad, weil sich so viel wiederholt. Bei der BrainRead-App kann man dagegen nach acht absolvierten Lektionen dann sogar seine eigenen Texte komplett reinladen. Bei Schneller Lesen ging das gerade mal begrenzt aus der Zwischenablage und das hat bei mir leider nie so wirklich funktioniert. Ich bin also schon sehr gespannt und werde natürlich berichten, sobald ich meine morgendlichen Zugfahrten demnächst dann hoffentlich sinnvoll nutze. 🙂

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