Neue Rechtschreibung und ihre rechtlichen Folgen

Herrje, als prinzipieller Gegner der Rechtschreibreform schmunzele ich ja immer wieder über die mannigfachen Folgen des sowohl kostspieligen wie weitenteils sinnentleerten Unterfangens. So auch heute, als mir ein Informationsschreiben der IG Autorinnen Autoren ins virtuelle Postfach flatterte. Und zwar ging es dabei um eine Diskussion des Rates für Deutsche Rechtschreibung über den „Stand der Umsetzung der reformierten Reform der deutschen Rechtschreibung“. (*hüstel* Auf sowas können ausschließlich deutsche Beamte kommen!) Dabei wurde sich über eine bei der VG Wort hinterlegte Liste von rund 65 Autoren bzw. deren Erben beschwert, welche „Kinder- und Schulbuchverlagen verbieten, unabgesprochen orthographische Anpassungen ihrer Texte nach der jeweils gerade gültigen Rechtschreibung vorzunehmen.“ Dies würde ja eine „gefährliche Verwirrung“ junger Leser mit sich bringen… ^^ (Nicht, daß diese durch die Reform selbst schon verwirrt wären…) Sinngemäß lief es darauf hinaus, „auf Texte weniger prominenter Autor/inn/en würde man eben verzichten, wenn sie störrisch seien, aber es ginge doch nicht an, Brecht nicht mehr abzudrucken, nur weil seine Erben keinen Freibrief für Eingriffe ausstellten.“ Erfreulicherweise wies der Vertreter der IG Autorinnen Autoren dieses zurück „und erinnerte an den von der IG Autorinnen Autoren erwirkten Erlaß des österreichischen Ministeriums, keine mit dem Argument der überholten Rechtschreibung begründeten Schulbibliothekssäuberungen zu gestatten, weil ein Zusammenhang zwischen Produktion und Rezeption im Bereich der Rechtschreibung nicht direkt gegeben sei.“ Es wurde der Vorschlag angenommen, „bei der nächsten Sitzung im Herbst ein Impulsreferat zum Thema “Hausorthographien³ von Autor/inn/en und über den Stellenwert nicht regelkonformer Rechtschreibung im ästhetischen Konzept eines Textes sowie über davon unabhängige diachrone Aspekte zu halten: Wenn z. B. Brecht die zu seiner Zeit gängige eingedeutschte Form “Schofför³ verwendete, so sagt das auch etwas über Milieus und Stimmungen zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt aus. Hier die Schreibung auf “Chauffeur³ zu “verbessern³ ist ein vollkommen unpassender und daher inakzeptabler Eingriff.“ Allerdings ist die Rechtslage in Österreich für Autoren noch unerfreulicher als in Deutschland und daher sei es notwendig, „den Ansprüchen auf individuelle Schreibweisen und den entsprechenden Urheberrechtsforderungen Nachdruck zu verleihen.“ Deshalb gibt es die Möglichkeit, eine Erklärung zu unterzeichnen und bei der IG Autorinnen Autoren zu hinterlegen, in welcher man in sämtlichen „deutschsprachigen Publikationszusammenhängen jegliche unabgesprochenen Eingriffe in die Gestalt“ der Texte untersagt, auch (und vor allem) „jene, die als orthographische Anpassung bezeichnet werden. Dies gilt insbesondere für den Abdruck in Schulbüchern und anderen pädagogischen Lehrmitteln.“ Im Weiteren geht es um die Unsterstützung der IG Autorinnen Autoren bei der Aufforderung des österreichischen Gesetzgebers, die Urheberrechtszustände zugunsten der Autoren zu ändern. (Zitate aus dem Rundschreiben der IG Autorinnen Autoren vom 23. Juli 2007)

Nunja, generell unterstütze ich dieses Vorhaben natürlich. Alles, was mich ‚Quentchen‘ immernoch mit ‚e‘ schreiben läßt befürworte ich gern und lautstark. Aber wie es oben im Zitat schon steht: unbekanntere Autoren sind verzichtbar und die neue Rechtschreibung, reformiert oder nicht, ist ein weiterer Zwang, dem man sich beugen muß wenn man publiziert werden will. Ich bin ja immer bereit, den Standardweg zur Veröffentlichung zu nehmen und brav meine Manuskripte in Normseiten formatiert, in digitaler, ausgedruckter, mehrfacher Form einzusenden, je nach Wunsch und Pflichtvorgabe; ich nehme fleißig an Ausschreibungen teil und versuche, nicht einer dieser jungen Querköpfe zu sein, die den Verlagen das Leben schwer machen, telefoniere nicht dem Manuskript hinterher und versuche immer, formvollendete Anschreiben zu verfassen, etc.pp. ABER mein ‚Quentchen‘ schreib ich immernoch mit ‚e‘. (Weil es nämlich nicht vom lateinischen ‚Quantum‘ kommt, sondern von der altdeutschen Maßeinheit ‚Quent‘. So!)

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4 Kommentare

  1. ^^
    Das erinnert mich ja wirklich stark an „Das Buch als Wille und Vorstellung“ im Bezug auf die „formvollendeten“ Streitereien bezüglich diverser orthografischer Fehl(Ein)griffe seitens Brockhaus Veröffentlichung von Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“
    Als Autor hat mans halt schon (immer) recht schwer 😀

  2. ^^
    Das erinnert mich ja wirklich stark an „Das Buch als Wille und Vorstellung“ im Bezug auf die „formvollendeten“ Streitereien bezüglich diverser orthografischer Fehl(Ein)griffe seitens Brockhaus Veröffentlichung von Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“
    Als Autor hat mans halt schon (immer) recht schwer 😀

  3. Ich fühle mich berufen, ganz laut und vehement zu wiedersprechen: Wer die Stimmung eines Brechttextes aus der Schreibweise eines Wortes ablesen muss, um dessen Phantasie muss es bescheiden bestellt sein. Bei der Rechtschreibreform häte es unter anderem darum gehen sollen, auch DaF-Lernern oder Kindern mit schwieriger Bildungsbiografie weniger Hürden bei der Rechtschreibung zu errichten. Leider waren diese Bemühungen nur von sehr bescheidenem Erfolg gekrönt. In kritischen Sammlerausgaben kann ja weiterhin buchstabengetreu der Wille Brechts bzw. seiner Erben umgesetzt werden.
    Als Redakteur für Schulbücher, bemühe ich mich allerdings bereits, die Texte von jenen AutorInnen zu vermeiden, die auf der besagten Liste sind. Die werden also von mir zensiert, weil es unerträglich ist, dass sich in diesem Punkt Philologen und AutorInnen so wichtig nehmen.

    Grüße an den Elfenbeinturm

    von einem Filologen

    (denn das „ph“ hätte man sich bei der Gelegenheit auch endlich abgewöhnen können)

  4. Ich fühle mich berufen, ganz laut und vehement zu wiedersprechen: Wer die Stimmung eines Brechttextes aus der Schreibweise eines Wortes ablesen muss, um dessen Phantasie muss es bescheiden bestellt sein. Bei der Rechtschreibreform häte es unter anderem darum gehen sollen, auch DaF-Lernern oder Kindern mit schwieriger Bildungsbiografie weniger Hürden bei der Rechtschreibung zu errichten. Leider waren diese Bemühungen nur von sehr bescheidenem Erfolg gekrönt. In kritischen Sammlerausgaben kann ja weiterhin buchstabengetreu der Wille Brechts bzw. seiner Erben umgesetzt werden.
    Als Redakteur für Schulbücher, bemühe ich mich allerdings bereits, die Texte von jenen AutorInnen zu vermeiden, die auf der besagten Liste sind. Die werden also von mir zensiert, weil es unerträglich ist, dass sich in diesem Punkt Philologen und AutorInnen so wichtig nehmen.

    Grüße an den Elfenbeinturm

    von einem Filologen

    (denn das „ph“ hätte man sich bei der Gelegenheit auch endlich abgewöhnen können)

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